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Das Gute stärken

Wieder ganz werden

Anfang Januar hatte ich in diesem Blog verschiedene Übungen vorgeschlagen, die uns helfen können, uns selbst und unseren Körper besser zu würdigen.
Für mich wurde diese Achtung für den Körper unumgänglich, als ich begann, mich verstärkt mit Kreativität zu beschäftigen, zu malen, zu schreiben, zu unterrichten. Der Körper ist unser wichtigstes Instrument – viel wichtiger als Pinsel, Farbe, Leinwand oder Papier.
Die Malübung, die ich letztes Mal vorgeschlagen habe (und die ich auch dieses Mal wieder vorschlagen werde) basiert auf dieser Erkenntnis. Und die Übungen, zu denen ich außerdem anrege, tragen dazu bei, unsere Beziehung zu unserem Körper und unserem Leben zu verbessern. Kreativität hat für mich damit zu tun, wieder ganz zu werden – eine gute Verbindung zu unserem Körper, unseren Gefühlen und unserem Leben ist ein wichtiger Teil davon.

Was ich mit den Übungen erlebte

Eine der Übungen im Januar bestand darin, sich jeden Abend an etwas zu erinnern, für das man dem eigenen Körper dankbar ist, und diese Dankbarkeit wirklich zu spüren und zu erleben. Das fiel mir erstaunlich schwer.
Obwohl ich aus Erfahrung wusste, dass mir die Übung guttun würde, fand ich immer wieder Gründe, sie nicht zu machen. Das ist wirklich seltsam: Gerade auf die Dinge, die uns erfüllen und glücklich machen werden, können wir uns oft nur schwer einlassen.

Beim Malen ging es mir lange genauso: Ich wusste, dass mich nur wenige Dinge so erfüllen, wie eine achtsame, kreative Malsitzung. Trotzdem brauchte ich oft Tage, ja Wochen, um mich wieder mal an mein Bild zu setzen. Ich fand die albernsten Ausreden – hatte aber keine Probleme, stundenlang am Computer zu hocken, obwohl mein Arbeitspensum für den Tag schon längst erledigt war.
Nach solchen Computersitzungen fühlte ich mich immer leer, meine Augen taten weh, mein Rücken auch –  doch irgendetwas klebte mich auf dem Bürostuhl fest.
Nun, beim Malen habe ich die Kurve gekriegt und die regelmäßigen Sitzungen im Atelier gehören jetzt zu meinem Leben. Und am Computer sitze ich nur noch, wenn es etwas Wichtiges zu tun gibt (wie zum Beispiel diesen Blog zu schreiben). Aber was hält mich davon ab, fragte ich mich, abends eine Übung zu machen, von der ich weiß, dass sie mir nur Gutes bringt?

Zuerst runterkommen

Als ich mich in den letzten Wochen damit beschäftigte, wurde mir bewusst, dass ich abends oft sehr aufgedreht bin und es schwer finde, von jetzt auf gleich meinen Körper zu spüren. Ich brauchte eine Zwischenstation – etwas, das mir half, in die Ruhe zu kommen, drei Gänge runterzuschalten.
Etwas, das meinen unruhigen Geist beschäftigte und ihn in eine positive Stimmung brachte.
Mir fiel ein, was ich ausprobieren könnte: Eine zusätzliche Übung, die ich schon lange kenne (ich bin mir sicher, jeder von euch kennt sie), und die genau diese Aufgabe erfüllen könnte. Und was soll ich sagen – es funktioniert! Deshalb gebe ich die Übung diese Woche an euch weiter.

BirdIch habe das jetzt sehr spannend gemacht, und ihr erwartet gewiss etwas ganz Besonderes, Umwerfendes… Sorry – die Übung ist total simpel. So simpel, dass viele von euch sagen werden: „Da hätte sie auch eher drauf kommen können!“
Probiert sie bitte trotzdem aus (und erzählt mir, was sie euch bringt!).

Die zusätzliche Übung:

Schreibe vor dem Einschlafen alle Dinge auf, für die du am vergangenen Tag dankbar bist. Dinge, die dich froh gemacht haben. Dinge, die dir, als sie passierten, gar nicht aufgefallen sind. Dinge, die du leicht für selbstverständlich nimmst. Dinge, die du schnell wieder vergessen hast…

Bei mir ist das zum Beispiel das Zwitschern der Meise am Morgen. Der Geschmack des schwarzen Tees mit Sahne, den ich vor dem Aufstehen trinke. Das Lächeln des Briefträgers, der trotz Eis und Schnee jeden Tag die Post vorbeibringt, und, und, und… Wenn ich das aufschreibe, bin ich jedes Mal ganz baff, wie viele beglückende Momente mein Tag hatte!

In den Büchern von Rick Hanson habe ich gelesen, wie gut sich unser Gehirn an alles Negative erinnert (damit wir auf der Hut sind vor all den schrecklichen Dingen, die passieren könnten), und wie locker es all die guten und wohltuenden Erfahrungen in irgendeinen inneren Papierkorb wirft (das Gute ist ja nicht gefährlich für uns, wir müssen nicht davor beschützt werden).
So entsteht nur zu leicht der Eindruck, dass das Leben größtenteils schwer, hart und anstrengend ist. Um diesen (sehr einseitigen) Eindruck zurechtzurücken, müssen wir aktiv etwas tun – wir müssen die guten, positiven Dinge bewusst wahrnehmen und unser Gehirn trainieren, sie für wichtig zu halten. Und diese kleine Übung hilft uns dabei.


Januar, Woche 4 – Alle Übungen und Strukturen

a) Mache die “Stopp”-Übung weiter wie die letzten Wochen – in etwas abgewandelter Form:
Sage mehrmals am Tag leise Stopp, halte inne und spüre zu dir hin. Wie fühlt sich dein Körper gerade an?
Nimm ein paar bewusste Atemzüge und spüre die Füße auf dem Boden. Spüre die Ruhe, die davon ausgeht.
Nun schau, welcher Körperbereich sich gerade angenehm anfühlt. Atme sanft dorthin und empfange seine Botschaft: Welche Farbe scheint dieser Bereich zu haben, welche Bilder tauchen auf, welche Worte, Bewegungen oder Formen stehen mit ihm in Verbindung?

b) Die zweite Übung bleibt unverändert: Berühre einmal am Tag eine Hand mit der anderen, eine Wange, eine Schulter oder einen anderen Teil deines Körpers. Halte die Berührung einen Moment, schließe die Augen und stelle dir vor, dass du jemanden berührst, den du liebst. Bleibe ein paar Atemzüge in diesem liebevollen Kontakt, dann öffne langsam die Augen und mache weiter mit dem, was du gerade tust.

c) Die dritte Übung habe ich teilweise oben beschrieben: Lege dir ein kleines Büchlein zu und lege es mit einem Stift neben dein Bett. Abends vor dem Einschlafen schreibe lauter Dinge auf, die dich im Laufe des Tages berührt oder beglückt haben, für die du dankbar bist. Spüre jeden Glücksmoment noch einmal, spüre deine Dankbarkeit. Nimm dir Zeit dafür.
Und zum Schluss schreibe drei, vier Dinge auf, für die du deinem Körper an diesem Tag dankst. Stell sie dir noch einmal vor, hülle deinen Körper in Dankbarkeit und spüre, wie sich das im gegenwärtigen Moment auf den Körper auswirkt. Gute Nacht!

d) Und jetzt die Kür: Nimm die obigen Erfahrungen als Grundlage für eine Malsitzung. In der letzten Woche habe ich beschrieben, wie man das zum Beispiel machen kann…

Jetzt wird’s kreativ

Januar, Woche 3 – Ein paar Gedanken vorweg

Vor etwa zwei Wochen erhielt ich einen Kommentar zu diesem Blog, in dem die Schreiberin berichtete, dass sie – angeregt durch meine Worte und die Übungen – endlich wieder einmal Lust bekam zu malen.
Sie wollte sich selbst malen, das, was sie fühlte und wahrnahm, wenn sie mit sich Kontakt aufnahm, und sie schickte mir auch einen Link zu dem Bild, das dabei entstanden war.
Ich war begeistert und möchte heute Martinas Bild und den Link zu ihrer Seite mit euch teilen (https://sinfoniemia.wordpress.com):

BlogVäthVielleicht regt euch das an, dachte ich, selbst zu Farbe und Pinsel zu greifen! Die Übungen der letzten zwei Wochen bieten eine gute Grundlage dafür.

Um sie zu erweitern und direkt auf das Malen zu beziehen, stelle ich hier eine Übung aus meinem Buch „Love To Create“ vor.
Ich freue mich, wenn ihr sie als Anregung nehmt zu spielen und herauszufinden, was für ein Ausdruck sich dieses Mal zeigen möchte (und ich bin gespannt, wie es war).

Ein wichtiger Tipp dazu: Jeder Ausdruck, der erscheint, ist wertvoll, jeder Ausdruck hat seine eigene Bedeutung und Schönheit, auch, wenn der Kopf das nicht versteht.


Januar, Woche 3 – Übungen und Strukturen

Hier die neue Übung für diese Woche (ich würde sie mindestens einmal ausprobieren!):

Die Quelle erleben

Befestige ein Blatt Malpapier an der Wand – so hoch, dass du es leicht mit ausgestreckten Armen erreichst. Farben, Pinsel und Wasser stehen bereit.

Stelle dich nun vor das Blatt und schließe die Augen. Spüre deine Füße auf dem Boden. Spüre, wie das Gewicht des Körpers auf den Fußsohlen lastet.

Lasse deine Knie locker werden und erlaube deinem Körper, kleine Mini-Bewegungen zu machen. Es ist das Wesen des Körpers, sich immer etwas zu bewegen. Diese feinen Bewegungen, die wir meistens automatisch unterdrücken, gibst du jetzt frei.

Nimm dir Zeit, auf diese Weise auf deinen Körper zu hören und ihn von der Leine zu lassen wie einen bewegungsfreudigen Hund.

Achte nun auch auf deinen Atem: Meistens neigen wir dazu, unseren Atem anzuhalten, wenn wir solche Übungen machen. Gib jetzt auch den Atem frei und spüre, wie die Übung dadurch tiefer und intensiver wird. Du beginnst deine Lebenskraft zu spüren.

Lasse die Übung weiterlaufen und achte nun darauf, wie sich deine Lebenskraft anfühlt. Was du spürst. Lebendige Impulse. Bewegungslust.

Nun lege mit geschlossenen Augen deine Hände auf das Blatt. Spüre den Kontakt mit dem Papier. Wie fühlt sich dieser Kontakt an? Atme weiterhin tief und lasse deinen Körper mit der Lebenskraft schwingen. Erlaube deinen Armen und Händen, sich von dieser Kraft bewegen zu lassen. Du wirst merken, dass klare Bewegungsimpulse auftauchen.

Nimm dir jetzt fünf bis zehn Minuten Zeit, diesen Tanz deiner Hände auf dem Papier zu erleben. Manchmal bleiben die Hände vielleicht still liegen. Manchmal möchten vielleicht die Finger klopfen. Manchmal entstehen Kreise. Manchmal Striche oder andere Formen. Manchmal ist die Bewegung schnell. Manchmal langsam.
Du musst nichts planen, nichts kontrollieren, nichts entscheiden. Dein Atem und deine Körper erlauben der Quelle, sich in der Gegenwart durch dich auszudrücken.

Wenn du magst, nimm jetzt Pinsel und Farbe dazu. Folge derselben Bewegungslust und wähle die Farbe, die dein Bauch gerade haben will. Die dir gut tut. Fülle den Pinsel mit Farbe und führe deinen Tanz auf dem Blatt weiter. Von innen nach außen, vom Fühlen und Spüren zum Tun.

Du malst was kommst, hörst die Geräusche des Pinsels oder der Hände auf dem Blatt, spürst deine Lebenskraft in Bewegung.

Du bist kreativ.

🙂


Zu Anregung hier noch der Link zu einem neuen Interview, in dem ich über Kreativität spreche:

http://www.new-culture-spirit.de/aktuelles/wir-erleben-uns-durch-unsere-kreativitaet-wieder-als-ganzes/

Im Fluss zu sein braucht Mut

Wie neu geboren

Noch nie habe ich so bewusst wahrgenommen, dass der Jahresanfang  das Gefühl in mir weckt, gerade neu geboren zu sein. Mag sein, dass das mit meiner persönlichen Geschichte zu tun hat, doch mir kommt es eher vor wie eine kollektive Erfahrung, die ich mit vielen anderen teile. Vielleicht auch mit der einen oder anderen  meiner Leserinnen… (würde mich interessieren).

Was ich erlebt habe, war ein intensives Gefühl des Gehalten- und Geborgenseins während der Rauhnächte. Die Strukturen und Übungen haben natürlich stark dazu beigetragen – und auch das Wissen, mit anderen in Verbindung zu sein. Die Idee, eine neue, weiterführende Struktur für das neue Jahr zu entwickeln und hier vorzustellen, entsprang auch dem Wunsch, dieses geborgene Gefühl zu verlängern. Das heißt, ich habe die Übungen und Abläufe zuallererst für mich selbst entwickelt: Sie sind der Ausdruck eines tiefen Bedürfnisses nach Eingebundensein.

BlogJan2Doch dieses Bedürfnis haben sie bislang nicht befriedigt:
Anders als in den Rauhnächten fühlte ich mich die letzte Woche merkwürdig allein und ausgesetzt.

Bei tieferem Nachforschen kam mir ein Bild für meine Empfindungen und Gefühle: Es war, als hätte ich über Weihnachten und Neujahr in einer Art Kokon leben dürfen.
Ein wenig wie im Mutterleib – geschützt, geborgen, gehalten. Und als hätte sich mit dem neuen Jahr und dem Ende der Rauchnächte ein endlos weiter – aber auch kühler, unerforschter – Raum vor mir aufgetan, der mich einlud, ihn zu betreten.

Solange mir das nicht klar war, erlebte ich nichts als Widerstand gegen dieses ungeborgene Gefühl. Ich wollte an etwas festhalten, das (im Moment jedenfalls) vorbei war. Das weihnachtliche Geschenk der Geborgenheit und Zugehörigkeit hatte sich in eine neue Einladung verwandelt: „Paro, hier ist die Welt, das Leben, das Unbekannte – und es wartet darauf, von dir entdeckt zu werden.“

Wie ein Neugeborenes wurde ich gerufen, mich auf eine endlos weite, unbekannte Welt einzulassen und sie mit allem, was sie enthielt, zu erkunden.
Eine völlig andere Haltung war gefragt, andere Eigenschaften wurden gebraucht: Mut, Entdeckerfreude, innere Stärke – und die Fähigkeit, mir selbst Wärme und Schutz zu geben und mich um meine Zugehörigkeit zu anderen Menschen (den Kokon) selbst zu kümmern.

Mit dem Neuen Jahr war eine neue Phase angebrochen und als mir das schließlich klar wurde, verwandelte sich mein Widerstand in Neugier und Interesse: Was mich die Beschäftigung mit kreativen Prozessen gelehrt hat (und immer noch lehrt), ist die Fähigkeit, jederzeit meine Perspektive zu ändern, neue Gegebenheiten zu erforschen, mich dem Unbekannten zu öffnen. Beim Malen und Schreiben müssen wir das ständig üben – und im Leben kommt es uns zugute! Denn genau wie der kreative Prozess ist auch das Leben ständig im Fluss, in Veränderung, im Wandel und wir müssen lernen, jede neue äußere und innere Landschaft voller Interesse zu erforschen, ihr gerecht zu werden und uns gleichzeitig treu zu bleiben.

Um das genaue Hinspüren und Forschen, das wir für diese tänzerische Beweglichkeit brauchen, zu unterstützen, möchte ich in dieser zweiten Übungswoche dazu anregen, die Übungen vom letzten Mal etwas zu vertiefen. Und ich wünsche euch Entdeckerfreude und Mut!

Januar, Woche 2 – Übungen und Strukturen

Hier meine Anregungen für die zweite Woche:

a)
 Mache die “Stopp”-Übung weiter wie letzte Woche (wer neu dazugekommen ist, bitte nachlesen). Aber nimm dir wenigstens einmal am Tag etwas mehr Zeit, um sie zu vertiefen.
Gib dem Körperbereich, der im Vordergrund deiner Aufmerksamkeit steht, die Chance, sich zu äußern. Atme sanft dorthin und empfange seine Botschaft: Welche Farbe scheint dieser Bereich zu haben, welche Bilder tauchen auf, welche Worte, Bewegungen oder Formen stehen mit ihm in Verbindung?
Sei einfach locker und aufnahmebereit, ohne etwas Spezielles zu erwarten!
Manche Menschen sehen eher Farben, andere hören Klänge oder Stimmen, fühlen Texturen oder erinnern sich an Geschichten. Was immer auftaucht, nimm es dankbar in Empfang und notiere es auch in deinem Heftchen.
Wenn nichts auftaucht, notiere einfach „Nichts“ – und bleibe weiterhin offen! Beim nächsten Mal wirst du vielleicht feststellen, dass das Nichts so etwas wie Nebel ist oder Luft, Leere, Weite, Enge, was auch immer. Übe, deine spezielle Art der Innenwahrnehmung besser kennen zu lernen!
Nächste Woche werden wir damit weitergehen.

b)
 Die zweite Übung bleibt unverändert: Berühre einmal am Tag eine Hand mit der anderen, eine Wange, eine Schulter oder einen anderen Teil deines Körpers. Halte die Berührung einen Moment, schließe die Augen und stelle dir vor, dass du jemanden berührst, den du liebst. Bleibe ein paar Atemzüge in diesem liebevollen Kontakt, dann öffne langsam die Augen und mache weiter mit dem, was du gerade tust.

c)
 Auch die dritte Übung bleibt bestehen: Lege dir ein kleines Büchlein zu und lege es mit einem Stift neben dein Bett. Abends vor dem Einschlafen schreibe eine konkrete Sache auf, für die du dem Körper an diesem Tag dankst. Stell es dir noch einmal vor, hülle deinen Körper in Dankbarkeit und spüre, wie sich das im gegenwärtigen Moment auf den Körper auswirkt.

Außerdem empfehle ich dir, die Übungen, die dir guttun, in einem separaten Heft aufzuschreiben. Bis wir mit diesem Prozess fertig sind, werden einige zusammenkommen! Wenn du diejenigen, die für dich passen, aufschreibst, hast du zum Schluss ein Übungsbuch speziell für dich.
Ich habe schon lange ein solches Buch, und immer, wenn ich den Überblick verliere und in alten Mustern festfahre, hole ich es vor und lese nach, was mir hilft. Das hilft mir, mich daran zu erinnern, dass ich mich stets und überall am eigenen Schopf aus dem Schlamm ziehen kann…