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Networking

An den beiden letzten Tagen des alten Jahres wird in meinem Dorf jedes einzelne Haus von der örtlichen Blaskapelle bespielt. Das dauert viele Stunden, manchmal ist es bitter kalt – aber niemand wird ausgelassen. Nach meiner Rückkehr von der Ostsee wache ich am 30. früh auf und höre schon die Posaunen in der Ferne. Es ist kalt, es regnet, zwischendurch schneit’s, ein Wetter zum Im-Bett-Bleiben. Aber die spielen da draußen und sogar richtig schön, finde ich, die ich mit Blasmusik eigentlich nicht sehr viel anfangen kann, da sollte ich es doch wohl schaffen, aufzustehen und persönlich an der Tür erscheinen. Beim Anziehen höre ich die kleine Band näher kommen und kann schon verschiedene Stücke unterscheiden. Mein Respekt wächst: Jedes Haus bekommt eine andere Melodie.

Als ich nach meinem Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern auf einem verregneten Bahnhof zwischen zerbrochenen Flaschen und Bierpfützen auf meinen Zug warte, unterhalte ich mich mit einer jungen Frau, die zum nächsten Ort unterwegs ist. Sie lebt hier und erzählt von ihrer Straße, den randalierenden Nachbarjungen, den Besäufnissen zu jeder Tageszeit und ihrer Angst. An sie muss ich denken, als ich „mein“ Stück gespielt bekomme und plötzlich das Gefühl habe, noch mehr dazuzugehören in diesem Dorf, obwohl ich keine Bayerin bin: Auch für mich haben sie gespielt. Und auch zu mir, der Nicht-Katholikin, kommen am 6. Januar wie zu jedem Haus die drei Könige und singen ihr Lied. Ich fühle mich in ein Netzwerk eingebunden, kann es fast sehen, wie es sich von Tür zu Tür zieht und alle Dorfbewohner miteinander verbindet.