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Erinnerungen und Bilder

Herbst-Inspirationen

Wenn die ersten Herbststürme an den Fensterläden rütteln, wächst die Lust auf Gemütlichkeit und damit (jedenfalls für mich) die Zeit der Bücher. Na, ehrlich gesagt lese ich ständig viel, aber im Herbst noch viel mehr. Und gelegentlich habe ich das Glück, eine „neue“ Autorin für mich zu entdecken. Eine, die ich noch nicht kannte und von der ich auch nichts Spezielles erwartete, aber die so großartig besprochen wurde, dass meine Neugier geweckt war.

Das geht oft in die Hose – literarisch hoch gehandelte Bücher entsprechen häufig nicht meinem Lesegeschmack – aber dieses Mal bin ich begeistert: Ich lese gerade „Die Jahre“ von der französischen Autorin Annie Ernaux und bin hin und weg!
In einem extrem eigenwilligen Stil erzählt (oder berichtet) Annie Ernaux von ihrer Kindheit und Jugend, schreibt Eindrucks-Stücke nieder, die eine ganze Zeit wachrufen und höchst lebendig werden lassen, jedenfalls für mich, denn es ist auch die Zeit meiner Kindheit und Jugend. Das macht etwas mit mir, es rührt an tiefe Vergessenheiten und lässt sie wieder spürbar und hörbar und riech-bar und fühlbar und gegenwärtig werden, als erlebte ich sie jetzt, in meinem Inneren, noch einmal.

Plötzlich taucht nachts im Traum meine Mutter auf, unser altes Haus, mein Rock mit Petticoats als ich 13 war und die Lieder, die damals auf den Jahrmarktskarussells dudelten. Und auch tagsüber bin ich inspiriert. Es ist, als ob parallel zum Jetzt eine „vergangene“ Zeit eingeladen wurde und sich genauso gegenwärtig anfühlt wie das Jetzt, vermischt und verwoben mit dem Hier-Gefühl – und ich bin angestoßen wie eine Glocke, die alte Lieder tönt mitten in diesem Sein.
Schön ist das!
Soll ich sofort meine Memoiren schreiben? Alte Lieder singen? In meine Heimatstadt fahren?
Oder mich mal wieder meiner Zeichenpraxis widmen, über die ich ja schon im letzten Beitrag geschrieben habe.

Zeichnen

Ich entscheide mich für die Zeichenpraxis, ist doch gerade ein Blog-Beitrag fällig (dieser) und vielleicht regt das Zeichnen mich weiter an!
Und tatsächlich, das tat es – tut es eh fast immer, aber dieses Mal transportierte es mich, obwohl ich einfach eine Ecke meines Zimmer zeichnete, in eine Zeit vor 40 Jahren, als ich in London lebte. Und obwohl man es der Zeichnung sicher nicht  ansieht, wirkt sie auf mich wie ein Tor in meine Wohnung in Crouch End und mitten in das Lebensgefühl von damals.

Das hat mich so beglückt (und tut es immer noch), dass ich es euch nicht vorenthalten möchte. Diese Art zu zeichnen birgt, je länger man dran bleibt, immer mehr Freuden und Geheimnisse… vielleicht auch für euch.
Probiert’s aus, schickt mir eure Bilder, erzählt mir davon!

Zeichenübung

Und für alle, die sich nicht an die Zeichenübung erinnern (und nicht extra im vorigen Beitrag nachlesen wollen):

Lege deine Zeichensachen (oder dein iPad*) bereit, wähle etwas, auf das dein Blick fällt, schaue es kurz genauer an, schließe die Augen. Nimm das innere Bild des Gesehenen wahr (das muss kein visueller Eindruck sein, es kann z.B. auch als Ahnung oder als Fantasie auftauchen). Dann zeichne es, ohne lange nachzudenken. Und ohne aufzuschauen und den ursprünglichen Gegenstand noch einmal anzuschauen.

*Ich experimentiere in letzter Zeit immer häufiger mit der Zeichen-App auf meinem iPad, und entdecke dabei – nach anfänglichen Vorbehalten – eine große, neue Freiheit… die ich mir allerdings erst zugestand, nachdem ich las, dass der englische Künstler David Hockney, den ich sehr schätze, fast nur noch mit dem iPad malt. Tja, die Vorurteile…
Aber meine Kreativität sagt: Immer probieren Paro, experimentieren, selber rausfinden!

Hier mein letztes Ergebnis:

Die Zimmerecke

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Und das innere Bild, das danach entstand:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wie gesagt, wahrscheinlich sieht man es der Zeichnung nicht an, aber für mich hat sie magische Qualitäten. Und das ist es ja, was zählt

Ich bin gespannt auf eure Erfahrungen und Geschichten!