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Spielen, das eigentlich Wesentliche

Warum macht man Kunst? Weil man Lust hat, weil man einen Drang hat, Kunst zu machen. Weil es wirklich in unserer rationalistisch eingestellten Welt das einzige ist, was uns überhaupt noch mit unseren Wurzeln verbindet. Man fängt an auf eine vollkommen spielerische Weise. Das Spielerische ist das wirklich und eigentlich Wesentliche. Durch Spiel entsteht Ernst.
Meret Oppenheim

Als wir noch frei und spontan spielen, malen, träumen konnten, geschah das schöpferische Spiel ganz von selbst. Es war einfach. Wir lebten an der Schwelle zum Unbekannten, ließen silberne Sterne, bunte Seifenblasen, schwarze Löcher und vollkommen Universen auf unserem Blatt entstehen.
Und wenn wir uns nicht gerade antreiben, anpassen, anstrengen und in automatischen Abläufen verloren gehen, können wir erleben, dass es auch heute noch von selbst geschehen kann. Um kreativ zu sein, müssen wir nicht erst zur Schule gehen, studieren, Techniken lernen, herausfinden, wie es die anderen machen. Wir müssen nichts nachahmen, kopieren, mühsam abzeichnen.
Nein, wir dürfen einfach wieder erleben, wie es ist zu spielen: Wenn wir spielen, sind wir kreativ. Das konnten wir schon als wir klein waren, und das können wir immer noch. Na ja, wir müssen es vielleicht ein wenig üben…

Pablo Picasso besuchte einmal eine Ausstellung mit Kinderbildern und wurde hinterher von einem Reporter gefragt wie ihm – dem großen Künstler – diese kleinen, naiven Bilder denn gefallen hätten. Wissen Sie, sagte Picasso und ließ seinen Blick über die Wände mit den bunten, freien Bildern streichen, als ich so alt war wie diese Kinder, konnte ich schon malen wie Rafael. Und dann habe ich ein ganzes Leben gebraucht, um wieder zu malen wie ein Kind.

Kleine Kinder malen noch ohne Plan oder Kontrolle. Sie haben noch nicht gelernt, den schöpferischen Strom zu gängeln, zu unterdrücken, ihn irgendwelchen Ideen anzupassen. Sie sind noch eins mit ihrer schöpferische Natur und ihrem Ausdruck. Alles, was sie tun, dient noch keiner sekundären Absicht, ist noch frei von Berechnung. Das „Sonnenkind“ steht für dieses Einssein mit unserem ursprünglichen Ausdruck. Kleine Kinder leben noch in einer Wunderwelt, aus der sie schöpfen und die sich durch sie ausdrückt.

(das stammt alles aus meinem Buch Love To Create, leicht abgewandelt)

 

Immer wieder das Kind

Ein wichtiger Aspekt beim Befreien der eigenen natürlichen Kreativität ist der Kontakt mit dem inneren Kind. Allein schon, weil wir als kleine Kinder noch reine Kreativität und Freiheit kannten. Vielleicht nicht sehr lange, aber jede und jeder von uns hat diese Erfahrung einmal gemacht. So tief sie auch verschüttet sein mag.

Auf dem kreativen Weg kommen wir immer wieder an den Punkt, wo wir unser kleines Schäufelchen in die Hand nehmen, und diese kindliche Erfahrung wieder freischaufeln müssen. Sie von all den angesammelten Vorstellungen und Mustern befreien, die uns unfrei machen. Die uns so sehr einschränken und bedrücken.
Und es wird jedes Mal als unendliche Erleichterung erfahren, durch die ganzen Massen an Schutt und Dreck hindurch zu dem innersten Kind-Selbst vorzustoßen und in direkten Kontakt mit seinem (unserem) innersten Wesen zu kommen.

Aber was rede ich – wir müssen es immer wieder hautnah erleben, alles andere hört sich nur zu leicht albern an.
Und um dieses hautnahe Erleben zu unterstützen und zu fördern, lade ich das Innere Kind und alle Erfahrungen, die wir auf unserem Weg zurück zu ihm machen, regelmäßig in unsere Malkurse und -Abende ein.
Auch bei meinen eigenen Malsitzungen – und besonders im Leben – ist die Rückkehr zum Inneren Kind häufig der einzige Weg zur Befreiung.

 


Eine Übung

Mit dem inneren Kind spazieren gehen

Eine der schönsten- und vielleicht schwierigsten – Übungen zur Wiederentdeckung der inneren (und äußeren) Wunderwelt besteht einfach nur darin, mit dem inneren Kind spazieren zu gehen. Eine viertel bis halbe Stunde genügt.
Für diese Übung ist es egal, ob du auf dem Land oder in einer Stadt lebst. Du weißt ja, dass kleine Kinder alles interessant finden und noch nicht auf der Suche nach besonders beeindruckenden Ausblicken sind. Für kleine Kinder ist alles beeindruckend. Und das ist es ja in Wirklichkeit auch.
Auf diesem Spaziergang erlaubst du deinem inneren Kind, die Führung zu übernehmen:
Schalte deinen Geruchssinn ein, als wärest du ein Hund: so viele Interessante Gerüche!
Gehe mit offenen Ohren, und wenn es etwas Besonderes zu hören gibt, bleib stehen und höre genauer hin.
Betrachte die Dinge mit Kinderaugen, so, als wäre die ganze Welt gerade erst neu erschaffen worden.
Bleibe stehen, wenn es irgendetwas gibt, was du tiefer erkunden möchtest.
Was diese Übungen schwierig machen kann, ist, dass wir Angst haben aufzufallen: Was sollen denn die Leute denken!?
Du wirst merken, wie eilig es die meisten haben, und dir vielleicht etwas merkwürdig vorkommen. Bist du bereit zur Rebellion? Es ist ja nur eine ganz kleine Rebellion: 15 Minuten Langsamkeit.
Sage dir: ich bin eine Künstlerin und die dürfen das! Die Wunderwelt, die du dabei erleben wirst, ist es wert.

Das ist auch eine ganz wunderbare Übung vor einer Malsitzung.

(ebenfalls aus meinem Buch Love To Create)