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Durch das goldene Tor

In der Zeit „zwischen den Jahren“ genehmige ich mir viele, viele Momente im Bett. Gemütlich mit Tee, Büchern, Filmchen und den leckeren, selbstgebackenen Keksen, die mir meine Freundinnen schenken.

Ich stöbere auch auf Websites, die ich liebe, weil sie mich auf wunderbarste Weise beleben und inspirieren (wie es mein Blog für euch hoffentlich auch tut!). Und da stoße ich gleich zu Anfang auf eine Perle – einen Beitrag des weisen Autors und Zen-Lehrers John Tarrant, den er mit einem kurzen Blick auf das Leben Buddhas beginnt. In meinen Worten zusammengefasst:

Aufgewachsen als Königssohn in einem Palast, wurde Siddartha Gautama von seinem Vater hinter hohen Mauern vor jeglicher Berührung mit der Außenwelt geschützt. Vier Aspekte des Lebens sollte er nie zu sehen bekommen: Kranke, Alte, Tote und Pilger auf dem Weg zur Erkenntnis.

Vor seiner Geburt war geweissagt worden, dass er entweder zu einem großen König heranwachsen oder – wenn er dem Leid der Welt begegnete – ein Weiser werden würde. Zweiteres wollte der Vater mit aller Macht verhindern, aber wir wissen schon, was passieren wird: Der Prinz wird irgendwann neugierig auf das Leben und ist selbst durch die dicksten Mauern nicht mehr davon abzuhalten, den Palast zu verlassen.

Was ihm draußen begegnet, prägt wie vorhergesagt seinen weiteren Weg und macht ihn zu dem zeitlosen Weisen, der noch heute so viele Menschen leitet und inspiriert.

Das Verlassen der bequemen und scheinbar geschützen Welt des Palastes wird zum Beginn eines Weges der Erkenntnis.

 

Die Dinge erscheinen
von selbst

Das kennen wir auch – beginnt doch jede unserer Erfahrungen eines tieferen, wahreren Lebens immer wieder mit einem ersten mutigen Schritt ins Unbekannte. Dem Schritt durch ein inneres Tor, über den John Tarrant in seinem Text sagt:

„Es gibt ein Tor im Geist, das aus dem Palast herausführt, der einem inzwischen wie ein Gefängnis vorkommt.
Die Räume auf der anderen Seite dieses Tores sind von Stille erfüllt. Nichts geschieht hier, außer dem, was geschieht. Hier gibt es keine Eile, kein Drängen, nichts wird gebraucht außer dem, was hier ist.
I
n dieser Stille und Einfachheit erscheinen die Dinge von selbst und leuchten aus sich heraus.
Und obwohl ich es genieße, das zu sehen, beeinflusse ich es nicht; es ist nicht etwas, das kontrolliert werden kann. Die Hilfe kommt unerwartet.“
Und:
Später, während eines Retreats erzählte mir eine Frau, dass sie beim Singen sehen konnte, wie das Universum erschaffen wurde, wenn ihr die Noten aus dem Mund strömten“
John Tarrant, Zenosaurus-Blog, übersetzt von mir)


Durch das goldene Tor
Dieselbe Erfahrung kenne ich auch beim Kursleiten, und zwar immer dann, wenn die Teilnehmerinnen und ich ein starkes gemeinsames Resonanzfeld teilen: Ich erkläre einen bestimmten Sachverhalt und beobachte auf einmal, wie „meine“ Worte beim Reden ganz von selbst Form annehmen und erhellende Geschichten bilden, die ich so noch nie gehört habe. Ich beobachte das Universum beim Entstehen.
Auch die Teilnehmerinnen erleben Ähnliches, wenn sie beim Malen oder Schreiben ab und zu ihren ganz eigenen FLOW erleben und „ES“ malt oder schreibt: Die Schöpfung schöpft sich selbst. Wir beinflussen es nicht. Es ist nicht etwas, das kontrolliert werden kann. Die Hilfe kommt unerwartet.

Deshalb gehören das Malen, das Schreiben und das Leiten von Kursen auch zu meinen Lieblingsmeditationen; deshalb gebe ich sie so gerne weiter: Sie laden uns ein, das Tor aus dem Palast unserer alten Gewohnheiten und Sichtweisen zu durchschreiten.

Wenn wir das live erleben, ist es plötzlich ganz einfach – aber ein alter Knick in der Pupille hält uns immer wieder gerne davon ab, das Tor überhaupt zu sehen. Aus alter Gewohnheit hängen wir an den „sicheren“ Palastmauern. Wollen uns natürlich auch vor dem, was draußen ist, schützen: Alter, Krankheit, Tod… wer will das schon freiwillig bejahen.
Doch unsere Weisheit, die uns das Wunder überhaupt erst erkennen lässt, wächst ganz besonders auf unseren Abenteuerreisen jenseits des Tore, im Unbekannten.


Miteinander
Also treffen wir uns zum Malen, Schreiben, Meditieren. Wir erschaffen ein gemeinsames Klima, in dem es einfach ist, das Tor zu durchschreiten und allem zu begegnen, was uns dieses Mal begegnet – in Liebe, mit Neugier und Abenteuerlust.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Während ich das schreibe, denke ich, was für ein Glück ich doch habe, mich mit meiner Arbeit auf diese Weise selbst zu unterstützen (und damit meine ich jetzt nicht das – natürlich nicht unwichtige – Geld, das ich verdiene): Ich mache Termine fest für Kurse, und bin damit gezwungen, regelmäßig den Palast meiner ablenkenden, bequem erscheinenden Verhaltensweisen – meine Komfortzone – zu verlassen und mich dem brausenden Leben zu stellen.
Und je öfter ich das tue, desto besser weiß ich aus Erfahrung, dass alle Monster, die ich da draußen (bzw. in meinem Inneren) fürchte, bereit zur Verwandlung sind. Das kennen wir aus Märchen – und das größte, sich ständig weiter entwickelnde Märchen ist unser eigenes, lebendiges Leben.

Kleine Herauforderung
Wie? Du findet das Tor, den Zugang nicht?
Kein Problem: Eine neue kleine Mal/Schreibaufgabe findest du in meinem aktuellen Newsletter. Probier sie aus!
Ach so, du hast keine Zeit fürs Malen, Schreiben, Meditieren…
Dachte ich mir schon – das passiert mir nämlich auch ständig!
Deshalb möchte ich dir ein Geschenk machen: Eine Stundenblume, wie sie Momo bei Meister Hora, dem Hüter der Zeit erleben darf.

Da ist sie!

 

Diese spezielle Stundenblume hat die Fähigkeit, dein Zeitgefühl zu verändern, zu dehnen, auszuweiten in viele, viele Momente der Unendlichkeit.

Zum Abschluss ein paar Live-Inspirationen – direkt aus meinem letzten Kurs in diesem Jahr (Flow 3). Drei Teilnehmerinnen haben mir ihre Texte zur Verfügung gestellt, die bei einer kreativen Schreibübung zum Thema „Die Zeit beim Malen“ entstanden. Mit ihnen möchte ich diesen Beitrag abschließen – ich finde sie sehr inspirierend, und vielleicht werden einige von euch ebenfalls beim Lesen angesteckt!

Ein Frohes Neues Jahr wünscht Paro 🌸

 

Die Zeit

Was ist schon die Zeit?
Ein Treiber, ein Folterknecht, ein mit erhobenem Finger hinter einem her rennender Gesell.
Wie Knecht Ruprecht mit der Rute.
„Ruprecht alter Gesell, hebe die Beine und spute dich schnell…“
Wie schön, wenn die Zeit mal nicht der Feind ist!
Ein schöner Gedanke: Zeitlos in  den Tag zu leben, was für eine Erleichterung!
Beim Malen verrinnt die Zeit, doch sie fühlt sich freundlich an. Nicht drohend, nicht hetzend, nicht gegen mich. Sie fließt unbemerkt sanft dahin. Zeitlos schön.
Wie schön, wenn etwas so tief geschieht, dass man losgelöst ist von der Zeit.
Losgelöst vom ständigen Ticken der Zeiger. Losgelöst vom Nächsten und wieder Nächsten.
Ist es ein Luxus, sich von Zeit zu Zeit von der Zeit zu lösen?
Habe ich nicht selbst die Freiheit, mich dafür zu entscheiden?

Wie beim Malen und Schreiben doch die Zeit vergeht…

Nadja S.

 

Was beim Malen mit der Zeit passiert
Was ist Zeit überhaupt?
Ein Wort.
Von Menschen gemacht.
Jeder redet davon.
Hat keine Zeit.
Dabei haben wir gar keine Zeit!
Sie kann sich auflösen – nicht existieren – zum leeren Wort werden,
wenn wir ganz bei uns sind, uns verlieren im Augenblick, im Jetzt… wie beim Malen.
Malen ist zeitlos, wenn wir eintauchen und es zulassen, dass wir in den Fluss kommen,
ohne Kontrolle, ohne Ziel.
Dann gibt es nur diesen Augenblick.
Und diesen.
Zeit, was war das überhaupt?
Siegrun Rapp

Was beim Malen mit der Zeit passiert

„Was ist schon Zeit“ sagt das Kind, dreht sich um und spielt weiter. Was haben die Erwachsenen nur immer für komische Wörter.

„Oh, hier klebt ja ein Kaugummi unterm Tisch…. wo ist nur der Kater wieder hin, vielleicht drüben bei Oma.

Hallo Oma, ist Blacky da? Oma fragt: „willst Du malen? Hier habe ich neues Papier.“ Toll, es ist rosa. Ich male ein Schweinchen darauf. Es hat gar keinen Ringelschwanz, sondern einen Pferdeschwanz. Das sieht lustig aus.

Opa kommt. Er erzählt wieder mal eine Geschichte. Sie handelt von einem Pferd, das einen Ringelschwanz hat und fliegen kann. Das ist witzig.

Ich male weiter und weiter. Schon schaltet Oma das Licht an und sagt: „es wird bald Zeit. Du musst nach Hause. Deine Mama hat gerade angerufen – es gibt Abendessen“.

Schon wieder heim, schade. Und: Blacky, den Kater, hab ich immer noch nicht gefunden. Dafür Tiere mit lustigen Schwänzen gemalt.

Was beim Malen mit der Zeit passiert? Sie vergeht, man merkt es nicht. Rosa Malpapier, Oma und Opa, inzwischen brennt eine Kerze und das Feuer im Ofen ist schon an. Vor mir liegt ein bunt bemaltes Stück Papier und ich muss bald heim, weil es schon dunkel geworden ist.

Morgen komme ich wieder….. ja, was ist schon ‚Morgen’ – habe ich Zeit zum Malen und wie lange…..? Tiere brauchen eben so lange, wie sie brauchen. Die mit den großen Ohren brauchen manchmal so lange, bis mein Magen knurrt. Und ich habe ganz vergessen, dass ich bei Oma und Opa bin und nicht zu Hause.

Was passiert mit der Zeit beim Malen?

Sie findet gar nicht statt, oder hast Du sie schon mal gesehen?

Petra V.

Copyright der Bilder:
1. Pari Peter Spindeldreier
2. Pari Peter-Spindeldreier
3. Paro Bolam