Gold

Gestern musste ich zu meiner Augenärztin nach Garmisch. Es war ein grauer Tag, selbst ein Schwarz-Weiß-Foto wäre ihm gerecht geworden. Hinter Murnau erhoben sich links die ersten Berge aus der Ebene und ich konnte wie mit einem Lineal gezogen die Schneegrenze sehen: Die obere Hälfte der Berge weiß gepudert, die untere schwarz und grau.
Über Nacht aber hat sich diese Schneegrenze leise herabgesenkt und das Weiß erstreckt sich heute bis ins Tal. Es schneit – und obwohl dies die dunkelsten Tage des Jahres sind, wird es draußen schon etwas heller.

Das Helle und das Dunkle, das Schwarz-Weiße und das Farbige – sie alle können wir sehen und unterscheiden, weil unsere Augen so genial konstruiert sind, dachte ich bei meinem Rückweg gestern Abend. Draußen war es inzwischen dunkel geworden und das Innere des Zuges leuchtete wie eine von diesen Adventskerzen in Gläsern, die außen bunt bemalt sind.

Und als ich abends noch ein Weilchen malen wollte und in meinem Atelier die Deckenstrahler einschaltete, leuchtete mir auch hier eine bunte Wunderwelt entgegen: Der goldene Berg, der diese Woche auf meinem Bild entstanden ist und das dunkle Blau im Hintergrund (ist es Himmel, ist es Meer? Ich weiß es noch nicht).

Beim Malen spürte ich, dass die äußere und die innere Welt zusammentrafen, dass der Schnee und die Berge und der Zug und meine Freude an dem bunten Leuchten und die Erinnerungen und Gefühle, die plötzlich auftauchten und das Schlagen meines Herzens jetzt – in diesem Augenblick – allesamt in das Gold gefaltet lagen und aus ihm zurückstrahlten, wie wenn das Gold lebte und der Berg lebte, und ich spürte mit jedem Strich, dass ich lebe und dass ich nichts weiß und alles weiß zugleich…

In dieser und der nächsten Woche werde ich jeden Tag malen. Mal 5 Minuten, mal eine halbe Stunde, so, wie es sich entwickelt. Auch wenn hier am Freitag und am Samstag ein Malkurs stattfindet, werde ich abends an mein Bild gehen und meine innere Welt einladen, fühlbarer zu werden und mir ihre Geheimnisse zu schenken.
Wer mitmalen will, aus der Ferne, ist herzlich willkommen.
Und ich freue mich immer über eure Mails und Berichte aus der Wunderwelt der Kreativität!