Archives for Dezember 2014

Wegen Überfüllung geschlossen

Die dritte Rauhnacht
Schon nach drei Tagen mit Ritualen, Orakeln, Tarotkarten und Krafttieren wurde ich der Sache überdrüssig. So viele Informationen, so viel Bedeutung, soviel Zukunft! Eine Art geistiger Verstopfung stellte sich ein, und als ich mich abends noch eine Weile an mein Bild setzte, fühlte ich mich wie nach einer überreichen Mahlzeit.
„Zu viel Fülle“, sagte ich mir, „ zu viele Ideen, Vorstellungen, Pläne. Die Tasse will geleert werden, sonst passt nichts Neues mehr rein!“ Und ich genoss es wie selten, mich zurück in die Einfachheit zu begeben, die beim Malen notwendig ist.

Die vierte Rauhnacht
Heute Morgen packte ich die ganzen Karten weg, stellte die Bücher über die Rauhnächte ins Regal (ich kann sie ja wieder vorholen), setzte mich auf mein Meditationskissen und beobachtete die Überfüllung in meinem Geist. 50.000 Äffchen, die umhersprangen und sich wichtig taten, 50.000 Gedanken, die sich in den Vordergrund drängten und von mir beachtet werden wollten… und ich dankte allen meinen Lehrern und Lehrerinnen, die mich immer wieder freundlich ermahnt haben, meine Meditationspraxis ernst zu nehmen.

Als nach einer Weile Ruhe einkehrte, hörte ich die Worte „Weißbrot nach dem Augenmaß“ aus dem Gedicht von Bert Brecht über Lao Tzu auf dem Weg in die Emigration: Was der Weise mitnahm, war wenig – seine Pfeife, ein Büchlein und Weißbrot als Wegzehrung. Hier der Anfang des Gedichtes:

Als er siebzig war und war gebrechlich
drängte es den Lehrer doch nach Ruh
denn die Güte war im Lande wieder einmal schwächlich
und die Bosheit nahm an Kräften wieder einmal zu
und er gürtete die Schuh.

Und er packte ein, was er so brauchte:
wenig, doch es wurde dies und das
So die Pfeife, die er abends immer rauchte
und das Büchlein, das er immmer las
Weißbrot nach dem Augenmaß

(Wer gerne das ganze Gedichte lesen möchte, findet es hier als PDF: Brecht_LaoTzu)

Darauf will ich mich jetzt auch reduzieren, dachte ich, nur auf das, was wirklich nötig ist!
Ich bin mir sicher, ihr kennt das auch: Wir sammeln nach und nach die verschiedensten Dinge, Verpflichtungen, Ideen und Pläne an, und haben dann irgendwann ein starkes Bedürfnis nach Leere und Raum.
Zeit, die Tasse zu leeren und mit dem zu verweilen, was wirklich gerade da ist.
Der Atem.
Die gegenwärtigen Empfindungen und Gefühle.
Der erste kleine, stimmige Strich beim Malen.
Und manchmal auch gar nichts. Die Leere – Raum, um Neues zu empfangen.
Und irgendwann auch wieder Fülle.

Festhalten und Loslassen.
Ebbe und Flut.

Diesem natürlichen An- und Abschwellen widme ich meine heutige Rauhnacht – und wünsche mir und euch, dass es uns immer wieder leicht fällt, die Tasse zu leeren, wenn sie voll ist, und es einen Moment lang zu wagen, uns dem Nichts anzuvertrauen.

We must be willing to get rid of the life we’ve planned,
so as to have the life that is waiting for us.

Joseph Campbell

Die zweite Rauhnacht

Die zweite Rauhnacht oder mein zweiter „Rauhtag“ begann wie jeder Tag mit meiner Morgenmeditation. Und schon da wusste ich, dass das Thema des heutigen Tages für mich Achtsamkeit ist. Ich finde meine eigenen Themen, so, wie sie für mich erscheinen – und möchte auch alle, die sich von diesem Blog inspirieren lassen, dazu anregen, es genauso zu machen.

Die verschiedenen Bücher, Vorgaben und Überlieferungen sind spannend zu lesen, doch ich picke nur das heraus, was wirklich für mich passt. So ist an mehreren Stellen zum Beispiel davon die Rede, dass man in dieser dunklen Zeit keine Wäsche im Freien aufhängen und sein Bettzeug nicht draußen lüften soll – neben vielen anderen Dingen, die man beachten oder lassen sollte, weil die „Bösen Geister“ unterwegs sind und sich möglicherweise im Bettzeug oder in der Wäsche verstecken. Und dann hat man den Salat: Sie kommen einem in die Wohnung oder ins Haus und richten Unheil an 🙁

Das ist ein Glaube oder ein Aberglaube – also eine vorgefertigte Meinung, die man ungeprüft übernimmt. Brauche ich das? Nein. Für mich werden die Intuition und die Achtsamkeit und Offenheit in der Gegenwart immer wichtiger als Richtlinien für meine Handlungen und für mein Leben. Beim Malen übe ich das seit langem, und nun nutze ich auch die Rauhnächte, um es zu üben.

Was alles passieren kann, wenn man diese alten Regeln für die Rauhnächte nicht  befolgt, ist ganz schön haarsträubend. Es macht Angst. Und da ich mich nicht von Angst regieren lassen will, bin ich in mich gegangen und habe geprüft, ob ich irgendwelche bösen Geister spüre, die mich bedrohen und in meine Bettwäsche kriechen. Nein, spüre ich nicht. Stattdessen wurde mir wieder einmal klar, dass die bösen Geister, die mich manchmal umgeben und bedrohen, alle in meinem Denken und dem Denken anderer Menschen entstanden sind. Dass sie große Macht haben, ist unbezweifelt, man sieht es an dem Unheil in der Welt und den eigenen, selbst erschaffenen Kalamitäten… also Thema Achtsamkeit!

Ehe ich jetzt anfange zu predigen (oder bin ich schon dabei?) noch etwas zu meinem Malprozess: Das Bild ist gestern wirklich fertig geworden!
Ich hatte das zwar großspurig  angekündigt, glaubte aber selbst nicht ganz daran. Ich wusste nicht wirklich, was noch nötig sein würde, um das Bild rund zu machen.
Und was ganz zum Schluss auftauchte, war, dass die Frau ohne Hände (deren Handlosigkeit ich ganz vergessen hatte) eine rechte Hand erhielt, in deren Handfläche abschließend ein roter Punkt landete. Ich weiß noch nicht wofür er steht, spüre aber sein emotionales Gewicht: Das ganze Bild ist durch ihn vollendet und eindeutig „fertig“.

Und das neue Blatt hängt schon an meinem Malplatz. Ich hatte es begonnen, als ich im Sommer invalide war, und fand es dann doch zu anstrengend, schon wieder zu malen.
Jetzt soll es fertig werden, und zwar bis zum Ende des Jahres. Das glaube ich jedenfalls zu spüren – mal sehen, ob es stimmt 🙂

Und zum Abschluss noch ein paar Anregungen zu den Rauhnächten für alle, die mir geschrieben haben!

Eine gute Idee ist es, sich ein spezielles Heftchen zuzulegen, in dem man notiert, was einem den Tag über so auffällt. Das beginnt mit den Erkenntnissen bei der Morgenmeditation (falls man meditiert), bei der Tarotkarte  oder einer anderen Karte, die man zieht, und bei allem, was einem auffällt: Tiere, die einem begegnen (so lief mir gestern ein Eichhörnchen über den Weg), starken Gefühlen, Erinnerungen, Träumen, die vielleicht auftauchen, Menschen, die einen beeindrucken usw.

Die Tiere, die uns in diesen Tagen auffallen, können wir als Botschafter sehen. Ich habe hier im Haus eine Freundin, die schamanische Reisen macht und sich mit Krafttieren auskennt. Sie gibt mir alle Infos, die ich brauche. Es gibt aber auch Bücher über Krafttiere, Karten, die man ziehen kann und alle möglichen Infos im Internet. (Schamanische Reisen oder Fantasiereisen sind in dieser Zeit auch eine gute Idee!)

Jeder der zwölf Tage/jede Nacht in den Rauhnächten wird traditionell einem Monat im kommenden Jahr zugerechnet. Der erste Tag dem Januar, der zweite Tag dem Februar usw.
Eine schöne Idee ist es, ein großes Mandala mit zwölf „Tortenstücken“ aufzumalen (wie die Vorlage für ein astrologisches Horoskop) und an jedem Tag eines dieser Tortenstücke anzufüllen –  mit Zeichnungen, ausgeschnittenen Bildern, Worten und Hinweisen, die alle repräsentieren, was einem an diesem Tag begegnet ist. So wird bei mir zum Beispiel ein Eichhörnchen auftauchen (und noch vieles mehr). Am Ende der Rauhnächte ist das Mandala vollendet und wird zu einem Begleiter im neuen Jahr.

Und noch ein Tipp: Zu jedem Tag gibt es bestimmte Fragen, die man sich stellen kann. Sie alle dienen der Absicht, das alte Jahr noch einmal zu reflektieren und mit offenem Herzen und frischer Energie in das neue Jahr einzutreten.
Eine Frage für den heutigen Tag könnte zum Beispiel sein:  „Mit wem habe ich noch  ungeklärte Angelegenheiten, die ich jetzt innerlich abschließen könnte?“

Mehr dazu demnächst!

Und wie immer: Ich freue mich über Fragen, Feedback und Berichte. Schickt mir einfach eine Mail!

 

Die erste Rauhnacht

Ich spüre schon seit Jahren, dass diese (dunkle, stille, stade) Zeit um Weihnachten etwas Inniges hat – wenn man es denn zulässt – eine tragende, stille Qualität, die einen tief in Verbindung mit einem selbst und mit anderen bringen kann. Und diesem Gefühl, dieser Ahnung möchte ich dieses Jahr gerne nachgehen und sie für mich nutzen wie eine Art Meditationsretreat, eine Zeit erhöhter Achtsamkeit und Offenheit.

Schon der heutige Tag war voller „Zeichen und Wunder“. Unter anderem wurde klar, dass das Bild, an dem ich schon seit langem male, heute fertig wird und dass morgen ein neues beginnt.
(hier ein kleiner Ausschnitt)
Das geschieht natürlich nicht von selbst :-), ich muss mich schon dransetzen und der Fertigstellung als Instrument dienen…

Und so fühlt es sich tatsächlich an: Da will etwas rund werden und ich muss zur Verfügung stehen, damit es geschehen kann.

Und während ich das schreibe, spüre ich noch einmal nach, und weiß, dass es eigentlich immer so ist, wenn wir „im Fluss“ sind. Das heißt, wenn wir gerade mit uns selbst und dem gegenwärtigen Augenblick verbunden sind: Etwas Stimmiges und Relevantes drückt sich durch uns aus – etwas, das quasi ausgedrückt werden will oder muss, selbst wenn wir es nicht verstehen.

Gerade, wenn wir es nicht verstehen!

Das Verstehen kommt später. Was im Moment zählt, ist die Gewissheit, dass unser Tun einer inneren Notwendigkeit folgt.

Da fällt mir eine Übung ein, die mir helfen könnte, mich auf diese Gewissheit einzustellen, wenn ich sie manchmal nicht so stark spüre.
Und da es vielleicht andere gibt, die von der gleichen Übung profitieren können, schreibe ich sie hier kurz auf (bevor ich zu meinem Bild eile, es ruft schon 😉

ÜBUNG:  Bereite deinen Malplatz vor, Farben, Pinsel, Wasser und das Bild an dem du malst – oder ein frisches Blatt Papier, wenn du gerade neu anfängst.
Malkittel oder Schürze hast du schon angezogen, und nun setzt du dich vor das Blatt und schließt die Augen.
Spüre die Füße auf dem Boden. Spüre deinen Atem. Beginne deinen Körper zu fühlen. Nimm Kontakt mit deiner physischen Gegenwart hier und jetzt auf.
Nun frage dich: Wenn sich ein Impuls durch dich ausdrücken möchte, der aus diesem gegenwärtigen Moment, diesem Energiefeld, diesem Fühlen entspringt – was wäre das für ein Impuls? Welche Farbe würde ihm entsprechen, welche Bewegung, welche Form?
Dann nimm den passenden Pinsel, die richtige Farbe und fange an zu malen.