Malen statt Böller

Die neunte Rauhnacht – Reisen

Von den Büchern, die mich durch die Rauhnächte begleiten sollten und die ich schon bald in den Schrank packte (und später wieder hervorholte), ist ein einziges übrig geblieben: Die Rauhnächte als Quelle der Ruhe und Kraft. Es enthält hauptsächlich zwölf Fantasiereisen und ich mache jetzt jeden Tag eine andere – suche sie aus wie Tarotkarten, rein intuitiv – und fühle mich jedes Mal immens bereichert.

Ich mag eigentlich keine Fantasiereisen, bei denen so viel vorgegeben ist, wie bei diesen. Doch sie reizten mich. Jetzt habe ich mir das Buch schon mal gekauft, dachte ich, kann ich es auch genauso gut ausprobieren. Und das tat ich, und stelle erfreut fest, dass mir jede Reise einen klaren Spiegel für etwas lieferte, was mich im Innersten bewegte: Unbewusste Sehnsüchte, Ängste, Vorstellungen und Muster, die sonst nicht so leicht ans Bewusstsein gelangen.

Gleichzeitig führten mich diese Reisen immer wieder in die Weite der Gegenwart – den Ort, wo sich Muster lösen und neue Wege erkennbar werden. Schön!

Ich werde das Buch auch im neuen Jahr weiter verwenden – es eignet sich nicht nur für die Rauhnächte. Wenn die Reisen kürzer wären, würde ich jetzt eine von ihnen hier vorstellen. Stattdessen empfehle ich euch das Buch, es ist nicht teuer. Und ich werde in meinen Kursen öfter Fantasiereisen machen als bisher.
Ich hatte einfach vergessen, wie wirksam und erfüllend sie sind!


Die zehnte Rauhnacht – Gemeinschaft

In meiner Morgenmeditation werden mir plötzlich all die Menschen bewusst, die mein Leben im vergangenen Jahr berührt, bereichert, aufgerüttelt und überhaupt erst möglich gemacht haben. Es ist, als hätte der Raum, in dem ich sitze keine Wände und als sei ich mit lauter goldenen Lichtfäden mit jedem verbunden, der irgendwie wichtig für mich war.

Ich sehe Szenen aus meinem Alltag – im Supermarkt, in einem Seminar, im Auto auf der Straße, bei einem Gespräch – lauter Momente von Verbundenheit.
Bei dem Gespräch sitze ich mit einer Freundin an einem Cafétisch und die Bedienung tritt an unseren Tisch und nimmt die Bestellung auf.

Auch sie ist Teil des goldenen Netzwerks – und der Bäcker, der den Kuchen gebacken hat, die Kaffeepflückerin in Costa Rica, die Leute vom Wasserwerk und die Porzellanmanufaktur, in der von vielen Menschen in verschiedenen Arbeitsgängen die Teebecher und Kaffeetassen hergestellt wurden. Je genauer ich hinschaue, desto mehr Menschen haben zu diesem entspannten Kaffeehausbesuch beigetragen.

Der Gong erklingt, meine Meditation ist zu Ende und ich stelle meine nackten Füße auf den kalten Holzboden neben meinem Bett, ziehe mir eine Decke über die Schultern und gehe ins Bad, um heiß zu duschen und mir die Haare zu waschen. Das Gefühl, in einem riesigen Netzwerk von Menschen gehalten und geborgen zu sein, bleibt bestehen, als ich die Tür öffne, vor dem Spiegel stehe, meinem zerknautschten Morgengesicht zugrinse.
Da höre ich Blasmusik in der Ferne…  Ach ja! Es geht auf Silvester zu und die Uffinger Blaskapelle ist unterwegs, um vor jedem – wirklich jedem – Haus im Ort ein Ständchen zu bringen. Das sind so viele Häuser, dass die gesamte Übung zwei ganze Tage dauert.

Zwei Tage lang ziehen die Musikanten in zwei oder drei Zehnergruppen durch den Ort, die große Trommel auf einem Wägelchen wie ein fettes Baby, und alle nur in Trachtenjacke, Kniebundhose aus Leder, Strickstrümpfen und hübschen Schuhen, obendrauf ein Hütchen. Viele ohne Handschuhe, um besser spielen zu können. Und das bei -4°C.

Ich bin kein besonderer Fan von Blasmusik, doch wenn die Musikanten vor meinem Haus stehen und auch mich einbeziehen in dieses goldene, aus Musik gewobene Netzwerk, das alle Häuser hier am Ort miteinander verbindet, laufen mir die Tränen. Die Fantasiereise, die ich heute mache, heißt „Gesellschaft“, und sie ist genau richtig für alles, was mich gerade bewegt. Nur der Name passt mir nicht und ich nenne sie stattdessen „Gemeinschaft“.

Probiert sie aus, falls ihr das Buch habt!
Und falls nicht, hier ein paar Fragen, die ihr euch stellen könnt:

Wer hat mein Leben im vergangenen Jahr berührt – auf welche Weise auch immer?
Welche Menschen sind daran beteiligt, dass ich essen, trinken, in einem geheizten Haus wohnen, Bücher lesen, auf einer gepflasterten Straße fahren und im Supermarkt Blumen kaufen kann?

Das Netzwerk, das uns trägt, ist unendlich groß…
Zum Jahresende könnte es eine gute Idee sein, all diesen Menschen innerlich zu danken.
Genauso gut können wir das aber auch zum Jahresanfang tun:  Dankbarkeit ist ein guter Begleiter am ersten Tag des Jahres – und an allen weiteren Tagen.

Die elfte Rauhnacht –  Malen statt Böller

Das Bild, an dem ich male – und das ich am liebsten zum Jahresende fertig haben wollte –  wird zu einem Abschlussbild für die zwölf Rauhnächte und für das vergangene Jahr.
Morgen werde ich es hier posten, und gleich werde ich daran weitermalen.

Ich bin ein Partymuffel, besonders, wenn es um vorgeschriebene Feste wie Weihnachten, Geburtstag, Silvester geht: Meine liebste Art, Silvester zu verbringen, bestand in den vergangenen Jahren darin, extra früh ins Bett zu gehen und mich, wenn es draußen zu knallen beginnt, erleichtert in die Kissen zu schmiegen: „Ein Glück, ich muss nicht raus in die Kälte!“

Doch langsam ist diese Feierversion abgenutzt, ich habe Lust auf etwas Neues, möchte heute Abend gerne malen, heiße Schokolade trinken und um Mitternacht meine Spikes unter die Schuhe schnallen, den wattierten Mantel und die neuen, bunten Stulpen anziehen, die ich zu Weihnachten bekommen habe, und auf meinem eingeschneiten Balkon dem Lärm lauschen, der von den Alpen zurückhallt, und staunen, wenn vor dem dunklen Himmel leuchtend bunte Blumen erblühen. Und mich verbunden fühlen… Auch mit jedem von euch, der diesen Blog liest, vielleicht auch malt, schreibt, auf jeden Fall träumt und lebt, und ich werde euch allen danken.

Wie schön, dass wir zur gleichen Zeit auf diesem verrückten Planeten zusammengekommen sind und dieses kurze, kostbare Leben miteinander teilen – strahlend und vergänglich wie die leuchtenden Blumen am Himmel.
Mögen wir dieses Wunder im kommenden Jahr immer wieder erkennen, würdigen und feiern!