Frisch aus dem Garten

Auf meiner langen Liste mit Dingen, die ich noch erledigen muss, steht auch der Punkt „Blog schreiben“ (direkt hinter dem Punkt „Malen“). Und wenn er da eine Weile herumgestanden ist, schaut er mich streng an und drängt: „Jetzt ist schon über eine Woche vergangen. Du musst dringend mal wieder etwas posten.“

So wird eine immens kreative Tätigkeit, eine Inspiration und Freude zu einer weiteren Pflicht, die „auch noch erledigt“ werden muss. Das Schreiben selbst kann so lebendig, abenteuerlich und inspirierend sein, aber in der Vorstellung wird es mit der Zeit immer grauer, wie ein alter, beiseite geschobener Gegenstand, der Staub ansammelt.

Und dann setze ich mich endlich hin und beginne zu schreiben. Aus einer Vorstellung wird Gegenwart. Und Gegenwart hat es so an sich, voll mit Leben, Überraschungen, Gefühlen, Empfindungen, Wundern zu sein. Wenn ich es zulasse.
Halte ich stattdessen an der Vorstellung eines grauen, ungeliebten, eingestaubten Gegenstands fest (und das geschieht oft – man darf die Kraft der Vorstellungen nicht unterschätzen), können mich die Abenteuer und Inspirationen, die in meinem Innersten schon ungeduldig drängen und ausgedrückt werden wollen, kaum oder gar nicht erreichen.

Das ist, als würde ich einen halben Meter über dem kreativen Feld schweben, das sich mir anbietet, und mir den Kopf zermartern, was ich schreiben könnte, während seine Gaben, die Blüten, Früchte und Ähren meiner Kreativität locken und winken.

Für mich heißt kreativ sein immer zuerst hinabsteigen in die fühlende, atmende Gegenwart.
Die Sinne einschalten, den Körper bewohnen. Dann werde ich von einem fernen, kritischen Beobachter des Gartens zu dem Garten selbst.
Ich bin der Garten und ich bin das kreative Feld, aus dem Impulse und Ausdruckswünsche hervorstreben wie Krokusse, Rosenbüsche, langsam wachsende Apfelbäume und eilige grüne Grashüpfer.
Sterne, Nebelschleier, Regenbogen, Graphitstaub.
Die Früchte der Begegnung meines Körpers, meiner Sinne, meines Seins mit dem gegenwärtigen Moment.

Ein Tanz.

Manchmal auch ein müdes Schleppen.
Ein Innehalten.
Eine dunkle Schwere.
Eine Stille.
Und wieder ein Grashüpfer. Und das Zirpen der Grillen.
Alles aus dem gegenwärtigen Moment herausgepflückt. Frisch aus dem Garten – wie auch dieser Text.

Blumen